Von Veröffentlicht am: 30. August 2022

Amadeus Gräber, Pia Meßing, Emma Kaul: Die Elite der deutschen Jugend-Mehrkampfszene. Und mittendrin: Jakob Labes. Eins sei vorweggenommen: Sein DM-Debüt sollte nervenaufreibend werden.

Los in Richtung Halle (Saale) ging es am Donnerstag, 25.08.22 um 12 Uhr. Nach fünf Stunden Fahrt kamen wir an der Wettkampfstätte an. Hier lagerten wir die Stäbe, den Speer, die Kugel und den Diskus, holten unsere Startunterlagen ab und gaben im Voraus schon die Stellplatzkarte ab. So weit, so gut. Richtig spannend wurde es erst auf dem Weg zum Hotel. Dabei lernten wir nicht nur, dass das Navi in Kirstens Auto nicht auf die Straßenverhältnisse aktualisiert wurde, sondern auch, dass die gesamte Strecke zum Hotel von einer riesigen Baustelle blockiert wurde. Im vollen Vertrauen an Kirstens Navi fuhren wir so also mindestens dreimal von der Baustelle ab, kamen jedoch trotzdem jedes Mal wieder auf die Baustelle zurück. 

Als wir es schlussendlich doch noch zum Hotel schafften, erwartete uns direkt der nächste Schock. Neben dem Hotel befand sich nicht nur der Bahnhof, bei dem auch nachts Züge und scheppernde Straßenbahnen vorbeifuhren und uns somit wundervoll ruhige und erholsame Nächte erbrachte, sondern auch ein Bordell. Es sei also vorgemerkt: Für einen netten Familienurlaub in Halle (Saale) sollte man das IBIS-Hotel vielleicht besser meiden.

Nach einer schlaflosen ersten Nacht, aber einem umso besseren Frühstück, ging es dann zum Leichtathletikstadion. Hier wurde schnell klar, dass die Konkurrenz anders aussah als die gewohnte Konkurrenz aus Hamburg und Umgebung. Das waren „Maschinen“ und „Schränke“, wie Jakob sie liebevoll betitelte. Tatsächlich war der Entwicklungsunterschied deutlich erkennbar. Aus diesem Grund darf man die U16 DM auch nicht allzu ernst nehmen. Wenn 1,90m-Riesen mit Oberarmen wie Popeye gegen 1,55m große Leichtgewichte antreten, dann haben die frühpubertierende Entwicklung und damit andere Kräfteverhältnisse einen enormen Vorteil. An dieser Stelle sei gesagt, dass beide Athletentypen im Mehrkampffeld vorkamen, obgleich der Erste wesentlich häufiger zu sehen war. Die Aufregung sank dadurch natürlich nicht.  

Vielleicht war es auch gerade diese Aufregung, die ihm dazu verhalf, seine alte Bestzeit über die 100 Meter von 13,02s, ein ganzes Zehntel auf 12,92s zu verbessern. Die 13 Sekunden wurden endlich gebrochen und die erste Disziplin des Neunkampfes war überstanden.

Mit der ersten PB in der Tasche ging es weiter zum Hochsprung. Das war eine seiner Wackeldisziplinen. Im Vorfeld war nicht klar, ob er die geforderte Anfangshöhe von 1,41m überspringen könne. Seine ehemalige PB lag bei 1,40m und seine Saisonbestleistung bei 1,32m. Doch auch hier übersprang er die geforderte Mindesthöhe locker und setzte noch mit übersprungenen 1,44m, gleichbedeutend mit einer neuen persönlichen Bestleistung, einen drauf. An dieser Stelle wollen wir uns auch gerne bei Svenja und Daniela bedanken, die keine Kosten und Mühen gespart haben und mit Jakob jeden Samstag für die letzten vier Wochen vor dem Wettkampf Hochsprung geübt haben. 

Bedanken wollen wir uns auch bei Birgit und ihren physiotherapeutischen Maßnahmen, ohne die Jakob bei den Deutschen Meisterschaften wahrscheinlich nicht hätte starten, beziehungsweise diese vollenden können. Ein besonderer Dank an Svenja, Daniela und Birgit. Ohne euch wäre diese Leistung nicht vorstellbar gewesen. Vielen Dank!

Aber weiter im Text. Nächste Disziplin: Kugelstoßen. Hier stieß Jakob noch eine Bestleistung mit 9,30m, was 31cm über seiner vorherigen PB liegt. 

Als Nächstes war Weitsprung an der Reihe. Noch im Sonnenschein erwärmt, kippte das Wetter kurz vor dem Einspringen. Es begann zu regnen und zu stürmen. Trotzdem begann der Wettkampf und Jakob stand als erster Springer an der Anlaufmarkierung. Jakob war bereit, wollte endlich seinen ersten 5-Meter Sprung auspacken, aber die Anlage blieb vorerst gesperrt. Nach einigen Minuten und immer noch gesperrter Anlage kam dann schließlich die Ansage, dass der Wettkampf aufgrund der Wetterbedingungen, mittlerweile blitzte es stark, bis auf Weiteres unterbrochen werde. Alle Athletinnen und Athleten, Eltern, Coaches und Zuschauende mussten sich also nun in die sogenannte „Laufhalle“ begeben und auf eine ungewisse Zeit dort den Sturm abwarten. Wir saßen nun also in einer Halle in Halle. 

Wenn man jetzt aber schon von schlechten Witzen erzählt, darf die Moderation nicht vergessen werden. Mit Sprüchen wie:

„Das ist ohne Gleichen, Herr Greichen“ oder

„Hat der noch einen im Köcher, der Johannes Böcher?“

„Julian Kleine, ganz groß“

“Hannes Klecker, nicht kleckern, sondern klotzen!”

„Gräbt der Amadeus Gräber noch einen aus?“

„Mal sehen, ob der (Max) Schäfer seine Schäfchen ins Trockene bringt“ und besonders sein

„BOAH, alter Schwede“ 

brachte er die Leute mehr zum Verzweifeln als zum Lachen. Was sich jetzt vielleicht noch lustig anhört, verliert relativ schnell seinen Reiz, wenn solche Sprüche alle zehn Minuten gebracht werden. So war es mehr oder weniger eine Genugtuung zu sehen, wie der Stadionsprecher beim Versuch, sich lässig auf die abgedeckte Stabhochsprungmatte zu setzen, ungebremst in den Einstichkasten fiel. Aber Entwarnung, es ist nichts weiter passiert. Seine Sprüche sind beim Fall allerdings leider nicht im Einstichkasten liegengeblieben.

Als die Gewitterunterbrechung nach einer Stunde dann wieder aufgelöst wurde, konnten sich die Aktiven wieder für ihre Disziplinen bereit machen. Im anschließenden Weitsprung sprang Jakob auf 4,89m, womit er seine PB einstellte, verpasste jedoch bei jedem Sprung das Brett. Hier ist also noch wesentlich mehr drin. 

Damit endete der erste Wettkampftag. Nach Auslaufen und Dehnen, Essen und Schlafen startete auch schon der zweite Tag.

Auch am zweiten Tag war das Wetter nicht auf unserer Seite. Diesmal zwar kein Gewitter, aber trotzdem Dauerregen. Doch mit Regenjacke und norddeutscher Regenerfahrung sollte das Wetter kein Problem für uns darstellen. Ein Problem gab es allerdings bei Jakobs erster Disziplin am zweiten Tag, dem 80 Meter Hürdensprint. Kurz vor Wettkampfbeginn mussten wir seine Standardeinstellung des Startblocks ändern, sodass er nun einen Schritt weniger zur ersten Hürde machte. Zum Glück funktionierte das dann doch ohne weitere größere Schwierigkeiten. Eine andere Schwierigkeit war allerdings der Starter. Mit seiner unkonventionellen langen Pause nach der Fertigposition, also ganz kurz vor dem Start, verunsicherte er die Athleten, was bei Jakob in einem Stolperer unmittelbar nach dem Start resultierte. Er fiel also weit zurück und verlor wertvolle Geschwindigkeit, konnte sich dank seiner guten Hürdentechnik dann aber über die 80 Meter doch noch auf den zweiten Platz vorarbeiten. Seine Bestzeit verfehlte er dann mit 13,18s doch leider deutlich. Die Hüfte hielt aber durch, was auch ein Erfolg war.

Auch die zweite Disziplin, der Diskuswurf, stellte größere Probleme dar. Durch den Dauerregen war der Diskusring überschwemmt und somit unglaublich rutschig. Jeglicher Versuch, die Drehtechnik anzuwenden, endete im Ausrutschen oder Hinfallen. Damit hatten dann wieder diejenigen Athleten einen Vorteil, die ohnehin keine schöne Technik haben und mehr aus dem Arm werfen. Genau das Gegenteil von Jakob, der eigentlich eine gute Drehtechnik aufweist. Aus Sicherheitsgründen sollte Jakob einen Standwurf werfen, um zumindest eine kleine Weite zu haben und Punkte mitzunehmen, bevor er riskant und mit viel Kraft werfen durfte. Allerdings stellte sich dieser Sicherheitswurf schwieriger an als ursprünglich gedacht. Sein erster Versuch landete ein paar Zentimeter außerhalb des Sektors und war damit ungültig. Sein zweiter Versuch landete im Diskusnetz und war damit auch ungültig. Nun lag alles am dritten Versuch. Die Nerven drehten durch und das Herz pochte schneller. Bloß einen gültigen Versuch haben, selbst wenn es nur 20 Meter sind, das war der Plan und tatsächlich: Im letzten Versuch kam ein gültiger Versuch herum. Zwar war dieser mit einer Weite von 21,06m ein reiner Sicherheitswurf und knappe zehn Meter unter seiner Bestleistung, aber so konnte er statt null Punkten 398 Punkte auf sein Mehrkampfkonto zurechnen.

Die nächste Disziplin war der Stabhochsprung. Tatsächlich hat uns hier nicht die Enttäuschung über die Diskusweite am meisten geärgert, sondern der leitende Kampfrichter. Er hatte einen klaren und strukturierten Plan: Eingesprungen wird nach der Reihenfolge der Liste, so weit so gut, angefangen bei der Starthöhe von 2,20 Meter und dann wird alle zehn Zentimeter gesteigert. Für Jakob, der mit einer Besthöhe von 3,35m angereist war, war das natürlich viel zu tief und hätte eine enorm lange Wartezeit mit sich gebracht. Auch andere Athleten und Coaches empfanden diese Regelung als, sagen wir, “unkonventionell”. Aber so stünde es anscheinend im DLV-Regelwerk. Ob die verbogenen Latten, die zum Wettkampf benutzt wurden, auch im DLV-Regelwerk stünden, hab ich dann besser nicht nachgefragt. Aber nach einer kürzeren Unterhaltung mit dem Kampfrichter konnten wir dann doch endlich erkämpfen, dass die Athleten zwar in der Reihenfolge springen sollten, wie es auf der Liste stand, sich ihre Höhe aber selbst auswählen durften. 

Im Wettkampf selbst hatte Jakob mit windbedingten Abstandsproblemen zu kämpfen und merkte, dass er schon sechs Disziplinen in den Beinen hatte. Trotzdem sprang er noch 3,20m, was eine Bestleistung im Mehrkampf für ihn war. Ganz zufrieden war er nicht, weil man anhand der Stabbiegung und Höhe der Lattenüberquerung noch mehr Potenzial sehen konnte. Aber das kommt noch, da bin ich mir sicher. 

Im Speerwurf, der vorletzten Disziplin, lief es anfangs sehr gut. Das Einwerfen sah vielversprechend aus und der Speer flog weit, in Richtung PB. Auch sein erster Versuch war sehr gut. Er lief an, war schnell zum Schluss, stemmte mit aller Kraft in den Boden, hatte eine gute Technik und warf den Speer weit über 30 Meter hinaus und damit weit über seine PB. So sah es jedenfalls aus, denn beim Abfangen nach dem Stemmschritt fiel er zwei Zentimeter weiter als erlaubt auf die Linie. Damit war der Wurf ungültig. Im zweiten und auch im dritten Wurf konnte er nicht an den ersten Wurf anknüpfen und blieb auch hier mit 27,81m unter seiner Bestleistung.

Im abschließenden 1000m Lauf konnte er dafür nochmal Punkte gewinnen, da Ausdauerstrecken  zu seinen stärkeren Disziplinen gehören. Trotz nicht ganz optimaler Renneinteilung lief Jakob hier mit 3:08,71 ins Ziel, was eine PB für ihn war. Zwar nur von sechs Hundertsteln, aber PB bleibt PB. Nach allen neun Disziplinen kam Jakob auf eine Gesamtpunktewertung von 4299 Punkten und platzierte sich somit auf Rang 21. Seine PB von 4318 Punkten verpasste er knapp. 

Auch wenn nicht jede Disziplin perfekt lief oder zumindest so wie vorgestellt, ist das Durchstehen eines Neunkampfes an sich schon eine starke Leistung. Besonders dann, wenn es sich dabei um die Deutschen Meisterschaften handelt. Wir freuen uns auch, dass Jakobs Hüfte heil geblieben ist und freuen uns schon auf die nächsten Wettkämpfe. 

Am nächsten Tag guckten wir den restlichen Athletinnen und Athleten zu und Jakob durfte endlich Pfannkuchen zum Frühstück essen. 

Das waren die Deutschen Meisterschaften im Neunkampf der M14 in Halle (Saale).

Ron Adrian

Impressionen

Werferabend der LG Alsternord
Junge DM-Starter bei NOA4

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