Von Veröffentlicht am: 29. März 2023

Toni berichtet an dieser Stelle als Betreuer, Fotograf und Texter von den Senioren-Hallenweltmeisterschaften im polnischen Torun. Dieser Artikel wird mit den aktuellen News aus Polen auf dem Laufenden gehalten.
Schon jetzt ein Riesen-DANKESCHÖN an Toni für seine Berichterstattung, mit der er uns Zuhausgebliebenen ein wenig mit ins Geschehen eintauchen lässt.

 

 

Sonntag, 26.03.2023

Liebe Sportfreunde,

gestern war die Eröffnungsfeier der 9. Senioren-WM Halle = WMACI in Torun.
4.143 gemeldete Athleten, 422 Deutsche, 4 LGAN: Ingeborg, Reinhard, Christian, Klaus-Dieter + Andreas Groneberg (Trainingspartner LGAN, aber Startrecht für TSV Fahrdorf…)

Torun hat die größte und beste Leichtathletikhalle in Polen (nach poln. Ausschreibung), ist zum 3. Mal seit 2015 Veranstalter einer Senioren-WM/-EM.
Nächstes Jahr (2024) finden hier die Hallen- Europameisterschaften für Senioren statt.
Eröffnungsfeier: Großes Symphonieorchester spielte Filmmusiken (Star Trek, Rocky 1 und 2) und auf der großen Videoleinwand wurden Filmsequenzen von EM und Olympia gezeigt.

Eingangs spielten sie „Summon the Heroes“ (mal auf YouTube anhören) zu Finalläufen der WM 2019. Leider habe ich Stefan und Heinz nicht gesehen, dafür Ulrike Hiltscher und Friedhelm Adorf !!

Aktuelle Ergebnisse zur WM findet ihr auf dieser Seite: https://wmaci2023.domtel-sport.pl/

 

 

Montag, 27.03.2023

Eigentlich sollte heute zu Beginn der Bericht über den Weitsprung der M80 erscheinen. Aber während der Fotograf seine Kamera testete, würden deutlich jüngere Aktive zur Anlage geführt.
Die M80 wurden in die Aufwärmhalle im Unterbau geleitet, wo Trainer und Angehörige keinen Zutrifft haben. Also gibt es weder Fotos, noch Livestream, noch neutralen Augenzeugenbericht, sondern nur das nüchterne Ergebnis: Reinhard Platz 5 mit 3,30m und Christian Platz 7 mit 3,12 m.
Am Nachmittag sollte so ein Missgeschick nicht passieren. Speerwerfen für M80 als Winterwurf draußen. Offene Sicht und freier Zugang für alle!
Temperaturen knapp über Null, starker Rückenwind für die Werfer. Noch beim Einwerfen trugen alle ihre Daunenjacken und einen Handschuh. Die wenigen Zuschauer schützten sich hinter einer Plane gegen den eisigen Wind.
Der Wettkampf gestaltete sich für Reinhard überaus spannend. Schon nach dem dritten Versuch lag er auf Platz 2 und durfte von da an wegen der Umkehrregel als Vorletzter werfen.
Auf Platz 1 thronte uneinholbar für alle Siegbert Gnoth mit einer Serie über 33- 34 -35 m.
Im 5. Versuch steigerte Reinhard sich noch auf 29,55 m und setzte sich damit deutlich von dem Dritten ab.
Aber dieser alte Hase auf Platz 3, Norbert Röhle, setzte voll auf Schocktaktik. Den vorher holprig kurzen Anlauf gestaltete er plötzlich länger und dynamisch ansehnlich, ließ den Speer im Idealwinkel abfliegen und schaute zufrieden und unter dem triumphierenden Aufschrei seiner Frau dem gelungenen Wurf hinterher: 30,26 m zeigte das elektronische Messgerät nach der Triangulation an.
Fäuste in den Himmel recken, Ehefrau an sich drücken und hoffend, dass der folgende Konkurrent hinreichend geschockt war.

Aber auch ein Reinhard Dahms verfügt über ein in Jahrzehnten erprobtes Krisenmanagement.
„Meine Stärke ist der unheimlich schnellkräftige Armzug und unter 30m beende ich nicht diesen Wettkampf! “ Sprach es, griff sich den Speer und konzentrierte sich auf den rhythmischen Fünferschritt, richtete die Speerspitze winkelgenau in den Himmel und zog mit aller Kraft durch. Der Speer hatte kaum die Wurfhand verlassen und den Flugkurvenscheitel erreicht, da sprang Reinhard schon mit beidseitig gereckten Armen in die Höhe. „Das muss reichen!“ – Erwartungsvoll starrten alle auf die LED-Anzeige des Weitenmessers: 30,46 m!

Na also! Sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen. 16 cm weiter als Norbert. Das ist zwar knapp, aber hier geht es schließlich um eine Silbermedaille bei einer WM. Und in der Leichtathletik geht es manchmal auch um Zentimeter.

 

 

Dienstag, 28.03.2023

Liebe Sportfreunde,

jetzt hat uns das kalte Wetter auch noch etwas nächtlichen Schneefall beschert.
Bei dem eisigen Wind versuchten alle schneller in die tolle, beheizte Arena zu kommen.

Was stand an heute?

60m M80
Christian ärgerte sich, dass er wegen einer schmerzlichen Oberschenkelreizung nicht seinen Turbo zünden konnte.
Mit der Zeit von 10,87 s verpasste er die finale Qualifikation um 6 Hundertstel Sekunden. Schneller und zu schnell für den Fotografen erreichte Klaus Dieter in 10,81 s das Ziel und das Finale.

Weitsprung W70
Ingeborg konnte nur mit dem Kopf schütteln: Schon beim Einspringen benötigte sie 4 Versuche, um in die Nähe des Absprungbalkens zu kommen. Mit dieser Ungewissheit und zwei ungültigen Versuchen kam sie heute leider nicht über 2,94 m und Platz 8 hinaus.

60m W70
Die vielen Startübungen zuhause verhalfen Ingeborg zu einem guten Antritt auf den ersten 30m. Mit ihrer Zeit von 11,35 s bestätigte sie ihre respektable Form von den Landesmeisterschaften.

 

 

Mittwoch, 29.03.2023

Nachdem Klaus-Dieter sich am Dienstag im Vorlauf mit 10,81 s qualifiziert hatte, gab es am frühen Mittwochmorgen für ihn eine weitere Verbesserung.
Mit 10,61 s verbesserte er sich um zwei Zehntel und erreichte den 7. Platz. Siegerzeit des Briten Allan Long 9,36 s.

Mal schauen, wie sich Reinhard heute beim Diskuswerfen um 16.45 Uhr gegen die große Konkurrenz schlagen wird.

 

Brrrr… – pfiff hier auf dem Platz neben der Arena wieder ein kalter Wind, als elf Achtzigjährige zum Finale im Diskuswurf antraten.

Die Winterjacken wurden nur schnell zum Einwerfen abgelegt, so mancher hatte aber Trikot und Startnummer auf einem alten Hoodie festgesteckt, um ja nicht zu viel Körperfläche zu entblößen. Der polnische Referee sagte mir tiefer Bassstimme die Reihenfolge der Werfer an, regelte den Bereich der Coaching- Zone für die wenigen klappernden Zuschauer und hob dann zum ersten Mal die weiße Fahne.

Reinhard rutschte auf seinen Spezialschuhen bei den Versuchen 2 und 3 aus und musste froh sein, dass der erste Versuch nicht aus dem Sektor gerutscht war und ihm wenigstens Platz 4 im Vorkampf sicherte.
Aufgebracht wechselte er die Sportschuhe: „Die Sohle der Spezialschuhe ist bei der Kälte zu hart und deshalb zu glatt. Ich ziehe jetzt andere weichere Slicks auf. Mit mehr Halt kann ich meine Drehung mit meinem Markenzeichen, dem dynamischen Armzug verbinden.“

Versuch 4: Schnell, aber viel zu flach, nur 24,93 m.
Jetzt vergrößerte der Pole Roszak den Vorsprung zu Reinhard mit einem Wurf auf 28,35 m. Der seit dem ersten Wurf mit 29,19 m in Führung liegende Este Paru gab nur einen halbherzigen Probewurf ab. Er kann als jeweils letzter Werfer genüsslich seine Konkurrenz beobachten. Aber auch der Pole Nowacki liegt mit 26,44 m noch vor ihm.

Versuch 5: Reinhard dreht schnell, aber wieder gewinnt der Diskus keine Höhe. Reinhard macht den Versuch ungültig.

Jetzt kommt Versuch 6, letzte Chance. Sekt oder Selters. Ist er der erfahrene Routinier? Kann er wie beim Speerwerfen mit der allerletzten Möglichkeit noch eine Medaille holen?

Versuch 6: Reinhard schnauft tief ein, schaut noch einmal in Flugrichtung, hebt den Arm und zeigt damit an, in welchem Winkel er den Diskus raushauen möchte.
Presst sich dann am Ringende mit den Schuhspitzen am Metallring fest, holt aus, dreht sich, beschleunigt unnachahmlich den Wurfarm, überträgt die gewaltige Rotationsenergie auf das 1kg schwere Wurfgerät, schreit dem Diskus hinterher und kommt lächelnd aus dem Ring.

Die weiße Flagge geht hoch, das Bandmaß darf angelegt werden. „Dwadziescia osiem, trzydziesci jeden“ ertönt die Bassstimme. 28,31 m !
Wahnsinn, Reinhard hat es wieder geschafft. Bronze!! Es fehlen nur 4 cm zur Silbermedaille.

„Super, wenn ich jetzt am Freitag noch beim Stabhochsprung einen guten Tag erwische, kann ich einen vollständigen Medaillensatz nach Hause bringen!“ Es ist kaum zu glauben.

Wer behauptet denn, dass Achtzigjährige keine Ziele mehr haben?



Donnerstag, 30.03.2023

Heute hatten alle LGAN-Athleten wettkampffrei. Deshalb war ein gemeinsames Mittagessen vereinbart und individuelle Stadtbesichtigung hinterher.

Foto 1 : Der berühmteste Sohn der Stadt Nikolaus Kopernikus wird dieses Jahr wegen des 550. Geburtstages geehrt. Die Inschrift bedeutet sinngemäß: Er bewegte die Erde und stoppte den Lauf der Sonne.
Foto 2: Der schiefe Turm von Torun
Fotos 3… Impressionen aus der Altstadt



Freitag, 31.03.2023

Nach einem Ruhetag standen für Ingeborg, Christian und Klaus-Dieter die 200m-Vorläufe an, die außer der persönlichen Leistungsbestätigung auch die für die Staffel wichtige Qualifikation zur Folge hat.

Ingeborg legte gleich richtig los und steigerte ihre Jahresbestleistung auf 41,63 s, womit sie sich neben Ingrid Meier, Renate Richter und Marion Ertl für die 4x 200m-Staffel empfahl.

Christian hatte gedanklich auch die deutsche Konkurrenz für die Staffel im Kopf, gab von Anfang an richtig Gas und verbesserte sich auf großartige 36,58 s. Nun musste Klaus-Dieter ähnlich couragiert laufen, um morgen im Staffelrennen dabei sein zu können. Auch er kam sehr schnell durch die erste Kurve, musste dem hohen Tempo aber auf der Zielgeraden etwas Tribut zollen. Aber seine Zeit von 37,73 s reichte für die morgige Finalveranstaltung.


Jetzt stand nur noch Reinhards Medaillentraum beim Stabhochsprung bevor.
Gemütlich und relaxed auf einem Campingstuhl hatte er zunächst seiner Alterskonkurrenz bei den Versuchen über 1,60 m und 1,70 m zugesehen.

Bei 1,80 m stieg er ein, nachdem zwei Konkurrenten gerade ausgestiegen waren. Doch hatte er den Abstand zum Einstichkasten falsch berechnet und die Griffhaltung im letzten Moment verändert: Fehlversuch!

Teamkollege Görtz scheiterte ebenfalls, aber der Pole Edward Korolko hatte diese Höhe noch weggelassen.
Im zweiten Versuch übersprangen Reinhard und Görtz die aufgelegte Stange. Nach Korolko scheiterten über 1,90 m im ersten Versuch auch die beiden Deutschen.
Im zweiten Versuch übersprangen Edward und Reinhard die 1,90 m, während es für Reiner Görtz hier das Ende seiner Bemühungen war.

Jetzt ging es um Gold und Silber!

Edward glückte gleich im ersten Versuch der Sprung über 2,00 m, während Reinhard zweimal scheiterte.
Was macht da ein alter Recke? Er geht zum Kampfrichter, lässt vermerken, dass er auf einen dritten Versuch über 2,00 m verzichtet und seine Kräfte für 2,10 m aufsparen möchte.
Edward zeigte Nerven, riss die 2,10 m in seinem 1. Versuch. Jetzt musste Reinhard zeigen, ob sein Pokern richtig war.

Konzentration…schneller Anlauf…hohe…zu kurze…Flugphase, Vollkontakt mit der Latte…Ende auf der Matte.

Aber, Reinhard, du hast heute deine dritte WM-Medaille in dieser Woche gewonnen! Respekt!!!


Sonnabend, 01.04.2023

Liebe Sportfreunde,

die Erwartungen für den letzten Wettkampftag waren von der Hoffnung der Aktiven der LGAN geprägt, vielleicht mit den Nationalstaffeln eine Medaille zu erkämpfen.
Die Verantwortlichen des DLV hatten alle bei der WM erzielten Sprintergebnisse gesichtet und am Abend vorher die Aufstellungen der 26!!! Staffeln bekannt gegeben.
Bei den Männern wurden insgesamt 11 4x 200m-Staffeln für die Altersklassen M35-M85, bei den Frauen 7 W35-W70 und für die neu geschaffenen Mixed-Staffeln 8 Teams gemeldet.

Christian Boysen und Klaus-Dieter standen für die deutsche M80-Staffel am Start.
Wegen der plötzlichen Absage des US-Teams standen beim Startschuss nur unsere M80 und M85- Teams bereit.
Eine scheinbar einfache Aufgabe für beide zum WM-Titel zu kommen.

Aber – im Vorfeld war unter den Senioren beim Aufwärmen heftig diskutiert worden, wo die Wechselzonen (rote Markierungen) liegen, wie der Stabwechsel (links auf rechts, oben oder unten) erfolgen sollte und wie viele Kurven in Bahnen (eigentlich drei) zu laufen waren und ab wann der zweite Läufer auf die Innenbahn (nach den Markierungen auf der Bahn am Ausgang der Kurve) einschwenken darf.

Alles klar? – Leider nicht.

Für Startläufer Klaus-Dieter war das alles kein Problem. Beim Schuss losrennen, immer in seiner Bahn bleiben, den Staffelstab fehlerfrei übergeben und den weiteren Fortgang entspannt beobachten. Christian hatte den Stab in der Wechselzone ordnungsgemäß übergenommen, sprintete durch die Kurve und..
wechselte auf die Innenbahn. Ohne Wechselfehler spulte das Team die antrainierten Routinen ab, kam deutlich in 2: 36,28 min vor der M85 ins Ziel und bildete ein strahlendes Siegerviereck : Mission accomplished!

Doch da näherte sich das Unheil in Person des Referees. Ein Läufer der M80 oder M85 muss das kleine grüne Hütchen auf der blauen Bahn nicht gesehen haben und zu früh auf die Innenbahn gewechselt sein. Jäh wurde aus Freude Frust, als die Videoaufzeichnung den Fehler der M80 zuordnen konnte.

Keine Medaille, keine Ehrung mit Nationalhymne, Enttäuschung!


Anders die W70:
Bei den Gegnerinnen von den britischen Inseln lief Anne Nelson, die im Einzelrennen über 200m Bronze mit ca. 35 s gewonnen hatte. Welche Taktik muss angewendet werden, wenn die eigenen Zeiten zwischen 38 und 41 s liegen und die schnellste Deutsche mit Muskelfaserriss ausgefallen war?
Und wie war das US-Team einzuschätzen?

Lösung: Konzentration auf Team GBR.
Marion und Renate beginnen und hoffen, Ingeborg 20 m Vorsprung zu schaffen, bevor Anne ihre Jagd beginnt. Dann, als Schlussläuferin, kam mit der 76 jährigen Ingrid Meier plötzlich eine Spitzenathletin vergangener Jahre ins Team, da die W75 keine Staffel zusammenbringen konnte.

Startschuss! Marion lief eine starke erste Runde und übergab in Führung liegend an Renate, die sich weiter absetzen konnte. Reihenfolge momentan: D 20 m vor GBR , 40 m vor US.
Ingeborg sprintete los, Anne mit Abstand hinterher. Auf der Zielgeraden setzte Anne zum Überholen an, musste aber auf der äußeren Bahn bleiben. Hauchdünn, ca. 1 m dahinter wechselte der Stab fehlerfrei auf Ingrid, die direkt hinter der Britin Caroline in die erste Kurve einbog. Dann wehrte Caroline den Überholversuch auf der Gegengeraden ab.
Zweite Kurve: Beide Läuferinnen dicht hintereinander. Die US-Frauen weit zurück.
Dann Zielgerade: Ingrid schiebt sich zentimeterweise heran, 10 m vor dem Ziel sind beide gleichauf. Noch 3 m, da…
Ingrid verliert an Höhe, Caroline schreit auf wegen eines Schmerzes in der Wade, kämpft weiter Richtung Ziellinie. Ingrid nähert sich inzwischen im langgestreckten Fall der Linie.
Schlägt auf, Brille und Staffelstab fliegen durch die Luft.
Verwirrung bei allen: Welcher Oberkörper war zuerst auf der Ziellinie? Hatte Caroline in ca. 1,5 m Höhe die Brust vorn oder war Ingrid in Höhe 5 cm zuerst hindurchgeflogen?

Zielfoto!
Rufe bei den Deutschen, Arme werden hochgerissen. Team D 16 Hundertstel vor Team GBR.

Die deutschen Frauen lieben solche Herzschlagfinale mit den Britinnen. So war es in Tampere, so war es in Ancona.

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Sportfest „Jüngster Nachwuchs“ bei schönstem Frühlingswetter

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